Bundesverband Männertrauer i.G.

Nun wird es also langsam ernst. Wir arbeiten an der Gründung des Bundesverbandes Männertrauer. Es wird Zeit! Verfolgt uns in den sozialen Medien wie Facebook, Instagram, LinkedIn, Threads und TikTok. Dort werden wir regelmäßig über die kommenden Schritte informieren. Nach der Gründung wird es dann für den Verband eine eigene Seite geben. Bis dahin steht hier der Platzhalter.

Gründung

In den kommenden Wochen wird sich der Bundesverband Männertrauer gründen. Der Fachverband besteht aus ausgesuchten Fachleuten (m/w/d), die ihre spezifische Expertise im Bereich der Männertrauer seit geraumer Zeit aufweisen. 
 

Zweck

Zweck des Verbandes ist die Unterstützung und Förderung von Männern in Trauerprozessen, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die spezifischen Bedürfnisse trauernder Männer sowie die Förderung von Maßnahmen, die der Verarbeitung von Verlusten dienen.
 

Inhalte

Der Bundesverband wird hierfür bieten:
a) Professionelle Trauer- und Sterbebegleitung durch qualifizierte Mitglieder.
b) Aus- und Fortbildungen für Trauerbegleiter mit Fokus auf die besonderen Bedürfnisse trauernder Männer.
c) Vorträge, Workshops und öffentliche Veranstaltungen zur Förderung des Austauschs und zur Aufklärung.
d) Vernetzung von Fachleuten und Einrichtungen, die in der Trauerbegleitung insbesondere für Männer tätig sind.

Start 2025

Eine Gründung wird für das Frühjahr 2025 angestrebt. Wenn Sie Interesse haben, freue ich mich über Ihre Bewerbung. Durch Ihre Mitteilungen können wir Sie direkt in den Gründungsprozess involvieren, so dass Sie jederzeit informiert sind.

Mit Stefan Hund habe ich einen Podcast dazu aufgenommen: KLICK HIER

Angebot für trauernde Männer in Zusammenarbeit mit dem DRK Erbach

Ich möchte die Möglichkeiten zur Teilnahme an der Selbsthilfegruppe Männertrauer beim DRK im Odenwald erweitern. Vorteil ist, dass wir damit wesentlich ortsunabhängiger werden und auch Teilnehmer aus anderen Teilen Deutschlands begrüßen dürfen.

Und so kommt ihr rein:

Bitte die App "Jitsi Meet" downloaden. Die App zeichnet sich durch eine hohe Datensicherheit aus.

Einloggen über den Safari-Browser hat sich am Besten rausgestellt.

Die Seite lautet: https://selbsthilfe.drk-odenwaldkreis.de/

In der Menüleiste auf "Online-Selbsthilfe" klicken.

dann auf "Gruppenräume" klicken

dann auf "Männer in Trauerphasen und Krisen" klicken

Ihr seid drin! Hurra

Jeden 1. Donnerstag im Monat!

Die digitale Trauerbegleitung für Männer

Männer haben manchmal Probleme im direkten Gespräch. Es spielen viele Verhaltensweisen hinein, die es für den Mann schwierig werden lässt, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Die Statistik besagt, dass nur 20 % aller Besucher Männer sind, dagegen sind 80 % aller „erfolgreichen“ Suizide in Deutschland männlich! Die Eigenschaften, die zu diesem Verhalten führen, sind über viele hunderttausend Jahre gewachsen und tief in uns Männern angelegt. 

Aber es gibt Chancen: Die Corona-Zeit war nicht nur eine weltweite Prüfung, sondern hat, wie immer in Krisenzeiten, Dinge hervorgebracht, die wir ohne sie niemals so schnell bekommen hätten, nämlich digitale Möglichkeiten. Die Kommunikation zwischen Menschen konnte auf weitere Beine gestellt werden, die wir in der Trauerbegleitung einsetzen. Plattformen wie Teams, Zoom usw. bieten Möglichkeiten genau dieses Feld in Angriff zu nehmen. 

Gleichzeitig nimmt der Anteil der Telemedizin immer mehr zu. Bereiche in Deutschland, die nicht gut ärztlich versorgt werden, werden durch eine digitale Anbindung vernetzt, damit ein Patient und ein Arzt, zwar räumlich getrennt sind, aber dennoch miteinander ganz nahe arbeiten können.

Mein Angebot an Sie: Nehmen Sie mit mir Kontakt auf, egal wo sie sind, egal, ob sie gesehen werden möchten, oder ihr Bild lieber auf „Kamera aus“ stellen möchten.

Senden Sie mir eine E-Mail, dass Sie eine Beratung wünschen, vielleicht sogar direkt verbunden mit einem Terminwunsch. Sie erhalten von mir dann eine Mail mit den AGBs und dem digitalen Zugang. Nutzen Sie dafür das PDF zum Download (Buchung). Bitte ausfüllen, scannen oder abfotografieren und per Mail oder WhatsApp an mich zurücksenden. Ein Coaching kann nur mit einer verbindlichen Buchung stattfinden.

Männer trauern anders - biologische Hintergründe

Warum widmet sich keiner dieser Thematik, wo sie doch in jedem von uns schlummert, wenn sie ein Mann sind. Unsere Biologie und Evolution und ihre Auswirkungen auf unser Trauerverhalten. Liegt es daran, dass Wissenschaft häufig männlich dominiert ist und damit die Angst besteht, dass wir Schwäche preisgeben müssen, wenn diese dann auch noch wissenschaftlich messbar wären? Ist diese sogenannte Schwäche dann wissenschaftlich verbrieft und damit in Stein gemeißelt, in einer Zeit, in der Wissenschaft in Teilen einen Religionsstatus bekommen hat? Ist das die Angst, die die Trauerforschung den Psychologen und Soziologen zuschiebt, welche doch, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, eher die weichen Wissenschaften vertreten, die keine sichtbaren, weil anfassbare Fakten liefern kann, weil dahinter keine Zelle oder ein Molekül steht?

Ist es das? Und sind wir eigentlich nicht schon einen Schritt weiter? Ist das nicht altes Rollendenken von konservativen alten, weißen Männern?

Und doch spielt diese Sichtweise immer noch eine Rolle. Leider, auch im Jahre 2023! Schauen wir doch mal aus der Sicht der Evolutionsbiologie auf die Thematik.

Acht Milliarden Menschen leben auf dieser Erde, also ungefähr vier Milliarden Männer. Jeder Mensch besteht aus ca. hundert Billionen Zellen (1). Jede einzelne davon trägt das gesamte genetische Informationsmaterial unserer Art. Jede Zelle ist bestückt mit einem Faden von zwei Metern Länge, mit all dem, was wir seit unserer Entstehung erworben haben, entweder durch zufällige Mutation oder durch die Epigenetik.

Wuchtige Zahlen für ein Thema, welches kaum jemand beachtet. Und doch sind die Auswirkungen messbar und zuweilen einschneidend, nämlich dann, wenn sie tödlich sind.

In den letzten Jahren hat sich die Trauerforschung mächtig weiterentwickelt. Sie hat ihren Ort des Tabuthemas verlassen. Immer mehr Informationen fließen aus allen Bereichen der Wissenschaften zusammen. Einerseits weil sich die Menschen dafür aus eigenem Antrieb interessieren, aber auch weil es ein Wirtschaftsfaktor ist. Trauernde Menschen in einem Unternehmen sind ein Kostenfaktor. Menschen beschäftigen sich in aller Regel erst mit einer Thematik, wenn ein bestimmter Druck besteht. Natürlich ist dieser Bereich mit zahllosen Klischees belegt. Gerade wir Männer haben die Eigenart schwierige Themen, wie zum Beispiel die eigene Gefühlswelt ins Lächerliche zu ziehen. Aber jedem Klischee liegt eine Wahrheit zu Grunde, sonst gäbe es dieses Klischee nicht (2).

Betrachten wir unsere Geschichte, dann handelt der sogenannte „moderne“ Mensch, erst seit wenigen hundert Jahren hier auf der Erde. Wir können den Beginn recht exakt festlegen: die industrielle Revolution: ca. 1750. Dies ist der Zeitpunkt, in der sich Gesellschaften grundlegend änderten, weil bisherige Rollen aufgebrochen wurden (3). Vieles in der Vergangenheit war der körperlichen Ausstattung geschuldet. Die tägliche Arbeit bedurfte viel körperliche Muskelkraft. Durch den Einsatz von Maschinen waren Arbeiten nicht mehr nur den körperlich Starken, zumeist den Männern vorbehalten. Die Frauen bekamen nun in beruflichen Dingen neue Möglichkeiten. Sie konnten Aufgaben der Männer übernehmen und taten dies auch. So entwickelten sich langsam Wege, die es den Frauen ermöglichten, ihre bisherige Rolle aufzubrechen. Nicht in jedem Land der Erde zur gleichen Zeit. Aber es war ein Anfang gemacht. Die Veränderungen breiteten sich in alle Bereiche hinein aus und heute sprechen wir von dem Anthropozän. Der Mensch hat die Welt vehement verändert. Nicht nur zum Guten.

Vor diesem Einschnitt gab es eine Zeit, die viele hunderttausend Jahre angedauert und dabei Strukturen geschaffen hatte, die das Überleben des Menschen sicherte. Das Individuum passt sich über die Generationen hinweg den natürlichen Bedingungen an, um in diesem Lebensraum optimal zurecht zu kommen. Wie alle Organismen dieser Erde war unser Handeln auf das Überleben und die Fortpflanzung ausgerichtet.

Ein paar wenige Eckpunkte, um diese Zeitspanne zu umreißen: vor sechs Millionen Jahren haben wir begonnen auf zwei Beinen zu laufen. Dadurch wurden die Hände frei und wir konnten mit ihnen neue, zusätzliche Aufgaben übernehmen. Vor drei Millionen Jahren haben wir die ersten Steinwerkzeuge entwickelt, eine Folge aus der Befreiung der Hände, die diese Werkzeuge nun tragen und einsetzen konnten. Seit 800.000 Jahren nutzen wir das Feuer. Es wärmt uns, es schützt uns und wir bereiten unser Essen damit zu, so dass es sich nach dem Gahrungsprozess im Verdauungstrakt besser und nachhaltiger aufschließen lässt. Seit 12.000 Jahren gibt es die Landwirtschaft und damit verbunden erste kleinere, dauerhafte Siedlungen, aber damit auch gleichzeitig das Beenden des nomadischen Lebens. Seit 6.000 Jahren gibt es stadtähnliche Siedlungen, erste Verwaltungsstrukturen und die Schaffung von Arbeiten, die nicht mehr primär der Ernährung dienten, wie zum Beispiel Handwerker, die Leistungen gegen Entlohnung von anderen Menschen übernahmen. Die eigentliche Verstädterung gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert.

Dies alles ist eine grobe Entwicklung, die sich im genetischen Material jedes Menschen abgebildet hat, teils durch natürliche Mutation, teils durch das Erlernen von erworbenen Eigenschaften (Epigenetik). Der Mensch von heute ist das Resultat seiner Geschichte und sein Erbgut ist das Spiegelbild. Alles, was nicht unmittelbar schädigend wirkte, verblieb im Erbgut und kann heute bei Bedarf wieder abgerufen werden.

Wechseln wir die Ebene von der Population hin zum Individuum.

Vor der industriellen Revolution ging es darum die Familie zu ernähren. Es bildete sich eine Rollenverteilung aus, die die Bedingungen optimal bedienen konnte. Der Mann ging, überspitzt formuliert, auf die Jagd oder bestellte irgendwann später die Felder, während die Frau die Kinder bekam, diese versorgte und sich um das Heim kümmerte. Klingt klischeehaft. In jedem Klischee liegt etwas Wahrheit!

Haben wir oben die größeren Schritte der menschlichen Population umrissen, folgen jetzt ein paar Beispiele auf Individualebene: Männer schmecken besser salzig für Fleisch, Frauen eher süß für Früchte. Frauen haben einen um 20 % höheren Körperfettanteil als Männer. Männer haben 30 % mehr Schweißdrüsen als Frauen aufgrund der körperlichen Arbeit und damit verbunden der Notwendigkeit den Körper intensiver kühlen zu müssen. Frauen hören in allen Bereichen feinere Unterschiede, bis auf den Bereich der Tierstimmen. Frauen sehen anders und haben auch im seitlichen Blickbereich eine höhere Wahrnehmungsfähigkeit als Männer, die eher einen fokussierten Tunnelblick (Jagd) haben, etc. Viele Unterschiede werden heute in Büchern teilweise humorvoll beschrieben (4,5). Dabei geht es nicht um eine Bewertung dieser Unterschiede, sondern um ihre Wahrnehmung. Einen Aspekt, den wir voneinander streng trennen müssen.

Neben den körperlichen Unterschieden gab es eine soziale Rollenverteilung. So sind Frauen, durchschnittlich betrachtet, stärker in der Kommunikation. Dadurch, dass ihre Aufgaben eher im familiären Umfeld lagen, waren sie im permanenten Austausch mit Kindern und anderen Familienmitglieder. Dies ist auch an der Gehirnarchitektur zu erkennen. Die Männer hingegen hatten ihren Arbeitsplatz überwiegend draußen, vielfach in kleinen Gruppen oder allein, mit einem geringeren Gesprächsanteil, der, wenn er eingesetzt wurde, zielgerichteter ausgeprägt war (6).

Diese Eigenschaften, gewachsen, entwickelt, erworben und gespeichert über viele tausend Jahre, werden heute in seiner gesamten Ausprägung nicht mehr benötigt. Evolutionär betrachtet ist der Zeitraum seit seiner grundsätzlichen Veränderung vor knapp dreihundert Jahren ein sehr kurzer Zeitraum. Das bedeutet nicht, dass Änderungen nicht möglich sind, sie bedürfen aber Zeit, einen großen Aufwand und besonders einem Verständnis dafür.

Welche Auswirkungen haben diese evolutionären Anpassungen an die Trauer des Mannes?

Die Art und Weise, wie wir gelebt haben und wie die Bedingungen auf uns einwirkten, haben uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Bin ich beispielsweise in der Kommunikation stark, habe ich evtl. besseren Zugriff auf meine Gefühle. Dann kann ich mich damit intensiver auseinandersetzen, um Krisen zu bewältigen. Frauen sind in diesem Bereich den Männern überlegen. Es lassen sich Unterschiede statistisch messen: Verstirbt beispielsweise die Partnerin und bindet sich der Mann (der keine gute Trauerverarbeitung hat) nicht wieder in den kommenden zwei bis drei Jahren neu oder wird er in einer Gemeinschaft aufgefangen, ist seine Lebenserwartung um bis zu 10 Jahren reduziert. Er stirbt aber nicht einfach so, sondern er versucht häufig durch Suchtverhaltensstrategien das emotionale Loch zu schließen (Uraufgabe: Versorgung der Familie). Die Nachsterblichkeit nach dem Verlust der Partnerin ist in den ersten sechs Monaten nach dem Ereignis bei Männern um bis zu 100 % gegenüber der normalen Sterblichkeit, erhöht (7).

Viele Dinge in der Trauer lassen sich heute bis auf die Molekularebene unserer Zellen beobachten und betreffen sowohl Männer als auch Frauen. Die Frage ist, wer kommt besser mit den Veränderungen klar. Häufig ist es im Bereich der Trauer das weibliche Geschlecht. Sie sterben, statistisch betrachtet, nach dem Verlust des Mannes, nicht früher. Sie leben sogar zwei Jahre länger, wenn sie nicht in einer Partnerschaft sind. Gehen wir in den Bereich der Epigenetik können wir bei Traumata (9), die durch einen Verlust entstehen können, direkte Molekülanlagerungen an bestimmten genetischen Abschnitten beobachten, die beispielsweise zu erhöhter Depressionsrate, Suiziden oder Krankheiten führen können. Mittlerweile weiß man im Bereich der Psychoneuroimmunologie (8), dass im Gehirn viele Verschaltungen neu geschaffen werden müssen, weil sich durch den Tod ein Lebensweg von Grund auf ändert. Das Immunsystem ist in dieser Phase geschwächt und vorerkrankte Menschen haben dann ein höheres gesundheitliches Risiko. Männer sind, und auch das ist mittlerweile weitgehend akzeptiert, bei aller muskulärer Kraft, die uns innewohnt, das schwächere Geschlecht.

Aber was folgert daraus?

Wichtig ist zu erkennen, dass wir die Ausprägungen von Trauer nicht nur in den Bereich der Seele, der Psychologie und der Soziologie verorten, sondern dass wir auch den biologischen, evolutionären Aspekt mit einbeziehen. Wir sind zwar in der Geschichte des Lebens die Sieger des menschlichen Weges, denn wir haben überlebt, aber wir sind auch die Amphoren dieser Geschichte, die in uns abgespeichert ist. Wir stehen vor grundlegenden, gesellschaftlichen Veränderungen, die manchmal dynamischer sind, als es die Biologie sein kann. Beachten wir diesen Aspekt in der Begleitung eines trauernden Mannes, können wir viel gewinnen und individueller begleiten.

Manchmal ist es dem trauernden Mann wichtiger, dass jemand da ist und schweigt, als wenn er Gespräche über seinen Gefühlszustand führen muss. Und manchmal ist genau dieser Umstand für eine Frau schlecht auszuhalten. Oder anders gesagt: gehen sie mit einem trauernden Mann spazieren oder wandern, dann muss er sie nicht anschauen, denn Augenkontakt steht in der männlichen Evolution immer noch für eine Drohgebärde und das braucht er in seiner akuten Phase nicht auch noch.

 

Quellen

1. https://www.spektrum.de/frage/wie-viele-zellen-hat-der-mensch/620672

2. Block, J.H. (1976): Issues, problems and pitfalls in assessing sex differences: a critical review of the psychology of sex differences.- Merill-Palmer Quarterly 22: 283-308.

3. Kreuels, M. (2017): Männerstille, BOD, Norderstedt: 100 S.

4. Moir, A. & D. Jessel (1990): Brainsex – Der wahre Unterschied zwischen Mann und Frau.- Econ, Düsseldorf.

5. Pease, A. & B. Pease (2002): Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken.- Ullstein, München.

6. Kirchstein, H. (2015): Männer trauern anders. Typisch männliche Strategien angesichts von Tod und Verlust – und wie sich damit umgehen ließe.- Vortrag vor der Selbsthilfegruppe verwaister Eltern, Bramsche-Ueffeln am 23.4.15.

7. Weißbach, L. & M. Stiehler (2013): Männergesundheitsbericht 2013: Psychische Gesundheit.- Hans Huber: 276 S.

8. Hasten, C. & C. Schubert (2017): Der Körper trauert mit.- Psychoneuroimmunologie der Trauer.- Leidfaden 2/2017: 10-14.

9. Yehuda, R, er al. (2016): Holocaust Exposure Induced Intergenerational Effects on FKBP5 Methylation.- Biol. Psychiatry 80 (5): 372-380.

Trauer als Phase

Das Leben besteht aus Phasen. Sie betreffen unser Wachstum vom Kleinkind, über das Schulkind zum Teenager, dann der junge Erwachsene. Wir gehen zur Schule, studieren oder machen eine Ausbildung, gehen Arbeiten. Wir testen uns an Partnern, heiraten, trennen uns vielleicht wieder, erziehen unsere Kinder, lassen sie ziehen, werden zu Rentnern. Wir haben gute Phasen genauso wie Schlechte. Alles kostet seine Zeit. Manche Phasen dauern länger, andere sind eher Blitzlichter. Phasen wechseln sich aber, kommen wieder, erscheinen einmal und verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Eine wirkliche Konstanz gibt es nicht, denn die Länge ist nicht absehbar. Sicher ist nur, dass alles im Leben irgendwie in Phasen einzuteilen ist.

Genauso verhält es sich, wenn wir einen Teil in unserem Leben, einen nahen Menschen, den geliebten Job, die Heimat, ein Haustier, unsere Gesundheit verlieren. Auch das kann in einer Phase dargestellt werden. Gesundheit kann manchmal dauerhaft verloren gehen und der Tod eines geliebten Menschen ist definitiv nicht umkehrbar. Folgert daraus eine endlose Phase? Nein!

Die betroffenen Menschen, die in ihr feststecken, können ihr mögliches Ende nicht absehen. Es scheint sich ein dauerhafter Zustand einzustellen, was es noch schlimmer macht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Phase der Trauer keine definierte Länge hat. Bei dem Einen dauert sie Tage, beim anderen Wochen und Monate, beim Nächsten Jahre oder Jahrzehnte. Meine Worte dazu, dies auch noch als Phase zu klassifizieren, als ob es mal eben so endet, muss für den Einen oder Anderen ein Schlag ins Gesicht sein. Ich weiß. Verwechseln sie bitte Sachlichkeit verbunden mit Erfahrungswerten nicht mit Herzlosigkeit. Die Realität ist nun einmal ein kaltes Phänomen.

Sezieren wir die Trauer mal etwas:

Wir haben etwas verloren, an dem wir gehangen haben. Wir trauern. Die einen trauern um den Verlust, andere bedauern sich selbst. Unsere Aufgabe im Leben ist es dieses Erlebnis zu verarbeiten, ihm im Leben einen Platz zu geben, denn das Leben geht weiter. Für einige undenkbar, die Realität hat diese Härte. Jeder Tag ist neu, jeder Tag birgt aber auch neue Chancen. Wir können, wenn wir die Kraft und den Mut aufbringen, diese nutzen und annehmen oder wir versinken im Sumpf der Traurigkeit. Die Zeit mit ihren Sonnenaufgang- und -untergängen ist wie die Küchenuhr über der Türe bei uns zu Hause. Sie tickt unerbittlich weiter, da kann kommen was mag. Es ist schwer, keine Frage, aber welche Konsequenz folgert  daraus:

Wir können aufgeben, stehen bleiben und keinen weiteren Entwicklungsschritt mehr gehen. Der Tod des Anderen ist auch der Meinige. Der Schmerz ist grenzenlos und ein sinnstiftendes Weitergehen erscheint unmöglich.

Wir können versuchen einen Weg zu finden, nach vorne zu gehen. Die Trauer annehmen, ihr einen Platz zuweisen und den nächsten Schritt gehen. Dies bedarf Kraft und Mut. Sie steckt in uns, auch wenn wir es gerade nicht fühlen können.

Wir wissen, dass es ein Leben danach gibt, wir haben aber selber nicht die Kraft und brauchen Unterstützung. Einsicht ist schon Teil des Vorwärtsgehens.

Wir haben eine Selbstverantwortung für uns, die uns keiner nehmen kann. Das tut ja auch keiner, sondern es unsere Entscheidung, ob jemand Anderes sie uns nehmen will. Der Verstorbene ist der Letzte, der daran interessiert ist, sie uns zu nehmen. Es gibt viele Hilfsangebote, die wir nutzen können, wenn wir selber nicht weiter wissen. Wir sind Menschen, die Wissen austauschen, das ist unsere menschliche Eigenschaft. Jeder ist Herr seiner Entscheidungen.

Trauer ist eine Phase. Ich kann sie als Erfahrung annehmen, ich lerne, wachse an ihr, damit sie mich nicht dauerhaft niederwirft. Ich komme stärker aus ihr hervor, ich kann konzentrierter und umfänglicher mein neues Leben annehmen, wenn ich mich durch sie hindurch gearbeitet und gefühlt habe. Ich weiß dann besser, was ich will und was ich nicht will. Zur Trauer gehört die Reflexion von Vergangenem. Ich kann alte Dinge aufarbeiten, sie abschließen, meine persönlichen Konsequenzen aus ihr ziehen. Klingt alles so einfach, dabei ist der in seinen Höhen sauerstoffarme Mt. Everest nur ein kleiner Hügel, den es zu überwinden gilt.

Trauerjahre sind Phasen des Innehaltens bei aller Schwere, Dunkelheit und Schmerzen. Es ist die härteste Phase, die wir als Menschen erfahren können. Es ist aber auch die Wertvollste, wenn wir sie aktiv durchleben und an ihr wachsen. Keine Phase wird uns so sehr prägen, wie diese. Und somit bekommt bei aller Härte auch diese Phase etwas Positives. Wichtig ist nur der Wille, das Licht dahinter zu suchen. Keiner weiß, wann es wieder heller wird. Das einzige was vielleicht hilft, ist die Gewissheit, dass sie als Betroffener oder Betroffene nicht der erste Mensch sind, der diese Erfahrung macht. Sie reihen sich ein in eine lange Kette von Menschen, die das auch schon erlebt haben und die nicht daran zerbrochen sind. Sie werden es auch nicht, denn danach wird es heller!

Ist Trauer für den Menschen notwendig?

Wir trauern. Jeder tut es irgendwann in seinem Leben. Wofür auch immer. Es ist letztlich egal, weil Trauer nicht einer Wertung unterliegt. Verliert man etwas, vermisst man es, dann trauert man. So ist das nun mal. Punkt. Worin liegt der Sinn? Wenn es potenziell jeder machen muss, verliert es doch seinen Wert. Dann kann man auch darauf verzichten. Oder?

Hypothese: Vielleicht ist die Trauer eine Notwendigkeit sich grundlegend weiterentwickeln zu können? Vielleicht brauchen wir diesen Tritt und da es in uns angelegt ist, ist auch jeder möglicher Kunde der Trauer?

Wenn ich trauere, dann habe ich etwas verloren, jemand ist gestorben, jemand hat sich von mir getrennt. Ich habe irgendetwas nicht mehr physisch bei mir im wahrsten Sinne des Wortes. Damit ist das, was ich verloren habe, ein Teil der Vergangenheit. Vergangenheit aber...ist nicht greifbar. Ich denke, ich fühle über etwas "nach" was es nicht mehr gibt. Niemand kann dort hinreisen. Was wir tun können, sind Spuren suchen und Verknüpfungen herstellen. Ob dies aber der Realität entspricht, bleibt spekulativ. Es spielt sich demnach in unserem Kopf ab, wenn ich darüber nachdenke, weil es in der Realität allenfalls noch Spuren gibt. Spuren, die ich mit dem Menschen verbinde, bleiben wir jetzt mal beim Tod eines Menschen, die dieser hinterlassen hat. Sind es Dinge, die dieser Mensch erschaffen hat (Briefe, Bilder etc.) gibt es einen direkten Bezug, sind es dagegen Kleidungsstücke, Möbel etc. können wir diese formal jedem zuweisen, der auf dieser Erde lebt. Die Verknüpfung findet also in unserem Inneren statt.

Wir haben etwas vor uns, was wir nicht greifen können, von dem wir nur erzählen können. Der Betroffene, in dem Fall der erzählende Mensch, trauert meist sichtbar. Über etwas sprechen was nicht ist. Warum? Wechseln wir die Betrachtungsposition.

Ich begleite einen Menschen, der sich schwertut, die Situation zu begreifen, anzunehmen. Er weint, seine Motivation ist dahin. Er hat keine Kraft mehr. Er ist wütend. Er will nicht mehr. Es stellen sich Fragen, viele Fragen. Wie soll es weitergehen? Was hat das alles für einen Sinn? Warum musste mir das passieren? Wieso ausgerechnet mir? Er weigert sich weiterzugehen. Er steht unter Schock. Sein Körper rebelliert. Es besteht Chaos. Hoffnungslosigkeit stellt sich aufgrund fehlender Perspektive ein. Die Menge der Fragen ist einfach zu groß. Sie erscheinen als unüberwindlicher Berg, von dem Felsen hinabstürzen und die Gefahr besteht, dass diese mich erschlagen und erdrücken. Die Struktur des bisherigen Lebens ist verloren gegangen. Ich muss beginnen, eine neue Struktur auf einer neuen Basis zu erschaffen.

Nach einer Zeit, deren Länge keiner kennt, kommt der Großteil der Trauernden in eine Phase, die man als einen Zustand "nach der Trauer" beschreiben kann. Er oder sie ist durch das Tal der Tränen hindurchgelaufen, hat sich sortiert, evtl. neu ausgerichtet und geht im Leben weiter. Die einen binden sich neu, andere verändern Strukturen, wechseln Arbeitsstellen, ziehen um, tauschen Menschen im Freundeskreis aus, engagieren sich ehrenamtlich, wollen anderen helfen usw. Die Palette der Möglichkeiten ist unendlich.

Was wäre, wenn damit Trauer als heftiges einschneidendes Erlebnis ein natürlicher, normaler und vielleicht sogar notwendiger Prozess wäre, der tatsächlich von der Natur auch so vorgesehen ist? Quasi der Schock, um Veränderungen herbeizuführen, also der ultimative Tritt? Jeder kennt den Satz: "Leben ist Veränderung" oder auch das Gegenteil davon "Stillstand ist der Tod". Wir Menschen entwickeln uns weiter, stetig. Und in den härtesten Krisen sind die Entwicklungsschritte am größten (Beispiel Kriege, Naturkatastrophen etc.) und deren Geschwindigkeit am nachhaltigsten. Damit unterstelle ich nicht, dass ein Krieg, eine Katastrophe positiv ist. Lassen wir einmal die Bewertung, egal in welche Richtung, völlig außen vor! Betrachten wir nur einmal den Umstand an sich.

Trauer ist für uns Menschen einer der fundamentalsten Krisen, die wir erleben können. Manche zerbrechen daran, andere wachsen in ungeahnte Bereiche. Sie birgt bei aller Katastrophe auch das größte Potenzial der Veränderung, der eigenen Neuausrichtung, dem Setzen des Resett-Punktes. Wie tiefgreifend die Veränderung ist, ist auf allen Ebenen zu betrachten. Es verändert sich nicht nur dass Außen, sondern auch wir ändern uns im Körper, da Vieles neu verschaltet werden muss, das heißt, selbst biologisch ändern wir uns in Teilen, mal abgesehen von der Gedankenwelt, in der wir uns bewegen.

Brauchen wir Menschen deshalb vielleicht genau deshalb die Trauer, um uns möglicherweise grundlegend weiter entwickeln zu können?

Und genau wie Katastrophen oder Kriege immer plötzlich oder sagen wir es anders, in ihrer Härte überraschend auf uns einwirken, so ist es die Trauer auch. Wir können uns nur unzureichend auf sie vorbereiten. Ein sterbender Mensch, den wir begleiten, stirbt am Ende doch plötzlich und wir stehen dort, und beginnen erst dann zu begreifen. Brauchen wir dieses Momentum der Plötzlichkeit, damit wirkliche Veränderung starten kann? Brauchen wir die Vehemenz, um uns neu ausrichten zu können? Brauchen wir deshalb die Trauer, um uns entwickeln zu können? Braucht der Mensch die Trauer für seine Entwicklung sowohl in seiner Persönlichkeit aber auch sekundär als Population?

Ja, dann hätte die Trauer tatsächlich auch einen positiven Effekt für uns, auch wenn es schwer ist die eigene Trauer und das Positive was sich daraus ergeben kann, wenn wir uns der Katastrophe stellen und sie durchleben, als zusammengehörig zu begreifen. Aber vielleicht ist es genau das.

Es kann aber auch genau anders sein. Wenn es nicht vorgesehen ist, dann kann es auch sein, dass der Mensch als Opportunist, diese Chance für sich selber nutzt. Letztlich ist es egal. Veränderung findet statt und die können wir gestalten! Und wenn wir sie gestalten können, können wir sie auch zum Guten lenken.

Das Plagiat der Trauerbegleitung

Laut Duden ist ein Plagiat die "unrechtmäßige Aneignung von Gedanken, Ideen o. Ä. eines anderen auf künstlerischem oder wissenschaftlichem Gebiet und ihre Veröffentlichung." Mir fehlt hier ein Bereich, der schlecht prüfbar ist: das emotionale Plagiat!

Irgendjemand hat einen Gedanken entwickelt und dazu einen Text verfasst, veröffentlicht oder gar dazu ein Buch geschrieben. Geistiges Eigentum eines Menschen. Erworben durch mühsame Studien oder durch noch tiefergehende eigene Erfahrung. Wir Menschen haben die Eigenschaft, Wissen gezielt weitergeben zu können, damit wir uns als menschliche Population weiterentwickeln können. Keine zufälligen Beobachtungen anderer, die durch Zufall übernommen werden, sondern die aktive und bewusste Weitergabe in Wort, Bild und Schrift. Unser Wissen geben wir bereits an unsere Kinder weiter, damit sie von unseren Erfahrungen lernen können. Eine Basis, auf der sie aufbauen können. Meistens müssen sie aber ihre eigenen Erfahrungen machen. Ich weiß, wovon ich rede als Vater.

Außerhalb der Familie bieten wir unsere Erfahrungen ebenfalls an. Geben sie in Seminaren und Kursen weiter, wir sind Lehrende. Bücher schreibende Autoren auf der beruflichen Ebene, um davon zu leben. Es gibt die ehrenamtliche und die professionelle Schiene. Wir tun dies, weil wir es wollen, es können und häufig, weil wir es möchten, es uns einfach wichtig ist. Es ist unsere aktive Entscheidung, wie viel wir geben wollen und was wir lieber für uns behalten. Wenn dann andere unsere Bücher kaufen oder Leihgebühren in Bibliotheken entrichten, haben alle einen Mehrwert. Es gibt denjenigen, der das Wissen erhält und denjenigen, der durch seine Wissensvermittlung Geld verdient. Oder wir geben es ehrenamtlich weiter, weil wir einen Gemeinsinn darin sehen und es uns ein gutes Gefühl vermittelt.

Und dann gibt es Menschen, die das geistige Wissen anderer ungefragt nehmen, eigene Projekte damit umsetzen und dieses als das Eigene ausgeben. Sie gaukeln eine fachliche Kompetenz vor, die keine solide Basis hat. Denn die Basis entsteht erst dadurch, dass ich eigene Erfahrungen gemacht habe oder Sachverhalte durch Lernen und Studium erworben habe. Leider ist dies ein anstrengender Flaschenhals. Was bleibt, ist Authentizität, das kaum greifbare Gefühl dahinter, das Stück Ausstrahlung, das in meinem Gesicht zu finden ist. Das Gefühl des Gegenübers, das derjenige, der darüber spricht, weiß wovon er spricht.

Kein Mensch sollte etwas dagegen haben, wenn das eigene geistige Eigentum von anderen verbreitet wird. Nicht umsonst gibt es in den Sozialen Medien unter jedem Post den Teilen-Button. Bedingung ist aber, dass deutlich wird, woher dieses Wissen stammt (z. B. durch ein Zitat). Nein, ganz im Gegenteil, wir freuen uns sogar darüber, denn es ist eine Form der Wertschätzung. Und der Zitierte hat meist kein Problem damit, wenn die Person, die den Teilen-Button gedrückt hat, mehr Reichweite, vielleicht sogar mehr Geld verdient als derjenige mit der Urheberschaft. Wir denken in der Musik an die vielen Coverversionen.

Zitiere ich aber nicht und halte mein scheinbares Kompetenzfähnchen hoch, ist dies nicht nur verwerflich. Das Plagiieren kann sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Und dann gibt es den emotionalen Sektor. Ich habe eine persönliche Erfahrung gemacht und Schlussfolgerungen daraus gezogen, die ich verbreiten möchte, um anderen eine Hilfe zu sein. Ich berichte über einen Sachverhalt, meist ein emotionales Grenzgebiet, und kann nur deshalb darüber authentisch berichten, weil ich es selbst er- und durchlebt habe. Eine Erzählung von mir zu einem emotionalen Grenzgebiet ist nur dann wahrhaftig nachvollziehbar, wenn ich persönlich dort war. Das kann die Situation im Krieg sein, das kann genauso gut die Situation bei einem Trauerereignis sein. Oder anders gesagt: eine Geburt mit ihren ganzen Facetten, wie Schmerz und Emotionen, kann ich als Mann nicht beschreiben. Berichten kann ich nur aus der Beobachterperspektive, ich werde aber niemals die Erfahrungen einer Frau nachfühlen können.

Nun gibt es aber Menschen, die genau das tun. Sie berichten aus Kriegen, als ob sie da waren, berichten von der Geburt, als ob sie selbst entbunden haben, berichten von der Trauer ohne eigenen Verlust. Sie plagiieren einen emotionalen Zustand, den sie allenfalls theoretisch empfinden können. Ziehen dann weitergehende Schlussfolgerungen daraus und verbreiten sie. Sie gehen sogar so weit, dies gezielt einzusetzen, um damit unter dem Deckmantel Hilfsbereitschaft Dienstleistungen gegen Bezahlung anzubieten.

Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass es darunter Menschen gibt, denen es gelingt. Aber genauso gibt es diejenigen, denen es nicht gelingt – und hier bewegen wir uns in einem emotionalen Minenfeld. Denn wenn ich die Erfahrungen nicht vorweisen kann, kann ich mich auch nicht vollständig einfühlen. Es wird immer etwas fehlen. Ich plagiiere einen emotionalen Kontext und gehe das Risiko des Schadens ein, auch wenn ich es gut meinen sollte. Mein Gegenüber wird aber in aller Regel eine mögliche Authentizität nicht in Frage stellen, weil davon ausgegangen wird, dass man den Erzähler damit verletzen würde, indem man ihn hinterfragt. Anders als in einer wissenschaftlichen Arbeit, bei der am Ende ein Produkt vorliegt, welches prüfbar ist, fehlt die Möglichkeit meist auf der emotionalen Ebene.

Nicht dass ich falsch verstanden werde: Ich achte denjenigen, der einen Mehrwert für den Einzelnen oder für die Gesellschaft generieren möchte. Aber jeder möge sich prüfen, ob er damit auch ehrlich sein kann, denn es gibt auf der Gegenseite Menschen, die sich in einer Ausnahmesituation befinden und keine Zeit und keinen Raum für Prüfungen haben. Diese öffnen sich in ihrer Krisensituation, legen ihr Innerstes nach außen und gehen davon aus, dass Helfer ehrlich damit umgehen.

In einer Welt aus Fakenews, Plagiaten und von Computern generierten Informationen gibt es immer noch einen menschlichen Bereich, den der Emotionen, den ich zwar vorgaukeln kann, der aber ehrlich bleiben sollte, da wir sonst in Zukunft unsere menschliche Basis verlieren. Und was bleibt dann noch, wenn wir auch diesem Bereich nicht mehr vertrauen können?

Veränderung ist nicht delegierbar!

Podcast: Macho, Macho! Der neue alte Mann - Podcast: Der Tag. Ein Thema, viele Perspektiven | hr-iNFO (hr-inforadio.de)

Hört mal rein. Beiträge von Therapeuten, Menschen, die sich mit dem Thema Männlichkeit beschäftigen. Ein Gedanke dazu:

Wir sind in der Gesellschaft auf dem Weg, dass sich Frauen und Männer annähern und sich die Rechte und Pflichten gleicher verteilen. Zumindest ist es das Ziel! Wir hängen das mangelnde Tempo auf diesem Weg meistens der Politik an, die dies nicht genug fördert. Ist das so?

Traditionelle Rollenbilder werden meist von rechten Parteien vertreten. Gleichzeitig sehen wir, dass AFD, RN - Marie le Pen, Forza Italia etc. keine Randnotizen sind, sondern Parteien, die massiv ins Rampenlicht drängen, wenn sie nicht sogar schon längst vor dem Bühnenvorhang stehen. Diese Parteien sind nicht deshalb so stark, weil sie von den anderen Parteien nicht ausreichend klein gehalten werden, sondern weil die Menschen, die sie wählen, also der Bürger, also wir, sich für diese Parteien entscheiden. Es sind wir selbst, nicht irgendeine Institution, die dafür verantwortlich ist. Das heißt aber auch, dass ein gesellschaftlicher Wandel auf die Sicht von Frau und Mann und deren bisherigen Rollen, in einem Großteil der Bevölkerung noch gar nicht angekommen ist oder sagen wir es anders, dass es Ängste und Verunsicherungen gibt, sich für einen neuen Weg zu entscheiden. Verunsicherung führt dazu, dass man Halt sucht. Wenn Halt in einer Partei geboten wird, die traditionelle Eigenschaften beinhaltet, sind das die zu suchenden Werte, wie auch immer wir diese Werte bewerten. Ein neuer Weg hingegen zeigt Ergebnisse erst in der Zukunft. Es ist der Blick in den Kaffeesatz.

Ich möchte zur Vorsicht raten das Thema Gleichstellung von Mann und Frau irgendjemanden als Aufgabe zuzuschieben. Es ist das Denken bei jedem Einzelnen von uns im täglichen Tun.

In der Biologie gibt es das 30 zu 70 Prinzip. Das bedeutet, dass sich eine Population, in dem Fall nehmen wir die 70, also der überwiegende Teil, in eine Richtung entwickelt. Vera F. Birkenbihl veranschaulicht das sehr eindrücklich. Nachzusehen in einem Film. Gehen bei konstanten Bedingungen die meisten in eine Richtung, stabilisiert es das Ganze. In jeder natürlichen Population gibt es aber auch den Anteil 30, die es anders macht, die Neues ausprobiert. In Zeiten, wo die Bedingungen konstant sind, haben diese den Nachteil und sie schaffen es so gerade sich zu erhalten. Ändern sich Bedingungen kann das zuträglicher für die kleinere Gruppe sein, die sich dann besser entwickelt als die 70. Das Verhältnis verschiebt sich auf Dauer und aus der 30 wird dann die spätere 70 und eine neue 30er Gruppe wird sich bilden. Damit hat die Natur, wie auch immer man diese definiert, ein Regulierungssystem, dass der Gruppe (Art) eine zusätzliche Sicherung gibt.

Wir Menschen betrachten uns in der Regel als der Natur nicht zugehörig, aber wir funktionieren tief in uns immer noch so. Aktuell sind wir an dem Punkt, dass sich Dinge in den Gesellschaften ändern. Die ehemals 30 wachsen, weil altes Denken überkommen ist und wir neue Wege gehen müssen, um die anstehenden Aufgaben zu lösen. Ob wir jetzt schon ein 40 zu 60 oder ein 50 zu 50 haben, mag ich nicht zu deuten, aber festzustellen ist, dass durch die Veränderungen in der Gesellschaft, sich auch die traditionellen Rollenverteilungen ändern.

Und jetzt kommt das große aber: In der Natur geht das nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess über Generationen hinweg. Wären wir alle Drosophila melanogaster, die Fruchtfliege, die in der Küche auf dem Obst sitzt, würde eine Generation 10 Tage dauern. Wir sind aber Menschen und unsere Generationsdauer beträgt 25 Jahre. Da wir nicht nur Biologie sind, sondern auch Vieles andere, können wir an einem Wandel aktiv und täglich arbeiten, aber dieser wird dennoch Zeit brauchen, sicherlich und hoffentlich keine 25 Jahre, aber mehr als die 10 Tage der Fruchtfliege. Betrachtet doch mal unsere Kinder. Es dauert viele Jahre, bis sie über das beschriebene Thema nachdenken, in denen sie von den Eltern, den Menschen in Kindergarten und Schule, beeinflusst werden, bis sie dann selber losgehen und für einen Wandel eintreten. Und damit bekommen wir eine sehr konkrete Aufgabe: Mut haben, um zu gehen!

Dranbleiben ja, effektiver sein durch eigenes Handeln und nicht nur durch das Anklagen von Politikern oder irgendwelchen Institutionen, denn diese richten sich nur nach ihrer Wählerschaft und das sind nun mal auch wieder wir. Es geht also um jeden Einzelnen von uns. Und es ist wie immer: Die Verantwortung trägt jeder einzelne, damit wir am Ende nicht sagen müssen: Wir haben von nichts gewusst.

#buchstabenparkplatz

Lernen durch Schmerz

Die Kinderbuchautorin Cornelia Funke sagte in einem ZEIT-Interview:

"Nach dem Tod meines Mannes konnte ich besser schreiben als zuvor und dachte: Das ist doch der letzte Dreck! Dieses Leben ist so eingerichtet, dass wir durch Schmerz lernen? Was für eine Gemeinheit!"

Es hat wie immer zwei Seiten. Die eine Seite ist, dass es als ungerecht wahrgenommen wird. Und die andere Seite ist, dass es was mit uns macht und zwar tatsächlich nachweisbar im Körper. Es gibt Studien, die besagen, dass einschneidende Erlebnisse dazu führen, dass sich Neuverschaltungen im Gehirn ergeben können, da es durch dieses Erlebnis zu grundlegenden Änderungen im Leben kommt. Neue Wege müssen erlernt und einstudiert werden und dadurch ergibt sich eine Neusortierung in neuronalen Bereichen. Im vorliegenden Fall hatte dies Auswirkungen auf die Schreibfähigkeiten von Cornelia Funke. Sie hat mittlerweile eine Gesamtauflage von 20 Millionen Bücher in 37 Sprachen erreicht.

Leider lässt sich nicht vorhersehen, wohin sich einschneidende Erlebnisse entwickeln. Die Veränderungen müssen auch nicht immer positiv sein, sondern können auch ins Gegenteil verlaufen. Es scheint aber gesichert zu sein, dass es  körperliche Veränderungen gibt. Erfahrungen haben biologischen Einfluss und verändern uns nicht nur hinsichtlich unserer Einstellungen und Gedanken, sondern auch auf biologischer Ebene.

Eine Frage an die unter uns, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben: Was hat sich bei euch geändert?
 

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